SV Darmstadt 98 – eintracht frankfurt 1:2 (1:0)

Das Derby und das Drumherum in Worten zu beschreiben, fällt auch noch mit ein paar Tagen Abstand unglaublich schwer. Seht es dem Autor also nach, wenn jetzt kein klassischer Spielbericht entsteht und die nachfolgenden Zeilen die ein oder andere subjektive Sichtweise beinhalten. Die Vorfreude auf das erste Derby zwischen Lilien und eintracht am Bölle nach über 30 Jahren mit der Chance die sportliche Vorherrschaft der Adler zu brechen war eigentlich unglaublich hoch. Der dicke, fette Wehrmutstropfen war das DFB-Urteil gegen die Gästefans, welches dem Derby von vorneherein etwas Entscheidendes nahm und gleichzeitig viele neue Konfliktfelder eröffnete. Wir verweisen an dieser Stelle gerne auf unsere Stellungnahme von letzter Woche und können nur hoffen, dass jeder klar denkende Mensch einsieht welchen Schaden der Verband dem Fußball, diesem Derby und der Stadt Darmstadt damit zugefügt hat.

Apropos Stadt Darmstadt: Auch die Politiker, in vorderster Front Bürgermeister Rafael Reißer, bekleckerten sich in der Derby-Vorwoche nicht sonderlich mit Ruhm. Eher mit Brennspiritus. Denn ein, juristisch unmöglich haltbares, Innenstadtverbot für eintracht-Anhänger schürte die vorhersehbare Konfliktsituation in der Stadt und zwischen beiden Fanszenen weiter an und kostete die Stadt Darmstadt nicht nur Unsummen an Geld, sondern auch Teile ihres gern propangierten „weltoffenen“ Images und offenbarte schlussendlich Herrn Reißers Kompetenzen in Sachen Rechtsstaat, Bürgerrechte und Fußballfankultur. Die Folgen dieser Farce durften die Bürger und vor allem auch die Fans ausbaden, während sich manches Anwaltsbüro mit Eilanträgen eine goldene Nase verdiente.

Alle Institutionen gaben sich also größte Mühe einem das Derby gründlich zu vermiesen und wäre die sportliche Situation nicht derart bedeutend gewesen, so hätte man in der aktiven Fanszene sicherlich mit einem kompletten Boykott geliebäugelt anstatt Teil dieser Schmierenkomödie zu sein. Zumindest wollte man nicht als atmosphärischer Dienstleister agieren, legte schon im Vorfeld alle Choreo-Arbeiten auf Eis und machte so zumindest optisch deutlich dass dies kein Derby unter normalen Umständen sein wird. Vielleicht war das für manchen Lilienfan nur schwer nachvollziehbar, doch sollten sich manche mal bewusst werden, dass unsere Arbeiten an Choreografien und jede weitere optische Unterstützung kein Teil ihres Wochenend-Events sind, sondern dahinter auch ein gewisser Idealismus steckt. Dieser Idealismus ist die Grundlage für viele andere Facetten von Stimmung, Atomsphäre und Fankultur. Und wenn der DFB und die Sicherheitsorgane diese Ideale mit Füßen treten, werden wir nicht so tun als ob das alles völlig in Ordnung wäre und die Nächte vor dem Spiel auf Knien rutschend in irgendwelchen Hallen verbringen, nur damit euch nicht ein Teil eures Events fehlt. Punkt.

Stattdessen verbrachte man also die Nächte damit, sich auf Frankfurter Besuche bestmöglich vorzubereiten. Somit verlagerte sich die Rivalität in diesen Tagen dahin, wo der DFB sie hin verbannt hatte – auf die Straße. Auf dieser blieb es aber bis auf einen Vorfall am Dienstag verhältnismäßig ruhig. Ab Freitag richtete die hessische Polizei ohnehin ihr Basislager in unserer Innenstadt ein und gängelte vor lauter Langeweile ab und an Darmstädter Bürger wegen Kleinigkeiten. Samstagmorgen begann für die aktive Fanszene dann an einem zentralen Treffpunkt. Von dort aus wollte man eigentlich zum Luisenplatz laufen, was einem aber überraschenderweise von der Polizei nonverbal untersagt wurde. Da wir vielleicht asoziale Fußballfans, aber keineswegs auf den Kopf gefallen sind, wurde eine spontane Demonstration „zur Bewegungsfreiheit Darmstädter Bürger“ angemeldet und sich in Kleingruppen auf dem Luisenplatz gesammelt. Bereits jetzt war eine größere Anzahl eintracht’ler anwesend, die durch das gekippte Innenstadt-Verbot nach Darmstadt gelockt wurden. Es waren aber kaum Mitglieder der organisiserten Fanszene, sondern das übliche Publikum welches erst laut etwas von „totschlagen“ singt und sich danach sehr leise bei den eingesetzten Beamten am sichersten fühlt. Unser Ziel war es nicht diesen Leuten ihr Recht auf eine vollkommen berechtigte Demonstration zu nehmen, sondern zu zeigen, dass sie in Darmstadt nicht widerstandslos tun und lassen können was sie wollen. Da sich dieses Vorhaben aber irgendwann nicht mehr mit dem geplanten Spielbesuch vereinbaren ließ, ging es eine Stunde vor Spielbeginn zu Fuß in Richtung Bölle und die frankfurter waren nun erst mal wieder unter sich.

Am Stadion betrat man dann sehr schnell den Block da der Anpfiff sich näherte und begann direkt mit der Anfeuerung der Mannschaft. Aus Protest gegen das DFB-Urteil wurde vorm Block und an der Gegengeraden das Spieltags-Motto „Alles aus Frankfurt ist scheiße!“ mit den Logos der sge und des Verbands gezeigt. Leider blieb dieses nur auf unserer Seite durchgängig hängen, da einige Menschen auf der Geraden lieber ein gemaltes Banner abhängen als sich drei Stufen weiter nach oben zu stellen. Und dann wundert man sich, warum aktive Fans einen Hals auf einen Teil der „neuen Publikum“ schieben…

Dafür war zumindest die Stimmung in diesem wichtigen Spiel in den ersten 45 Minuten sehr gut. Der Block riss immer mal wieder das gesamte Stadion mit und peitschte die Lilien nach vorne. Auch wenn es mit Gegner auf den Rängen deutlich schöner gewesen wäre, so war die Unterstützung der Mannschaft in dieser Phase des Spiels absolut top. Wäre es doch nur immer so… Dazu kam der herrliche Führungstreffer von Vrancic, der für einen wahren Freudentaumel sorgte. Die Lilien dominierten die eintracht nach belieben bis zur Pause. Kurz vor dem Halbzeitpfiff hätte es eigentlich 2:0 oder höher stehen müssen, doch Sandro Wagner versagten am Punkt anscheinend die Nerven. So wichtig seine Treffer für uns in den letzten Spielen waren, so sehr treibt es uns Fans in den Wahnsinn, dass sein gesteigertes Selbstbewusstsein immer wieder bei Elfmetern und Interviews zu unklugen Entscheidungen führt. Es allein an Wagner festzumachen, was danach passierte, wäre allerdings verkehrt. Denn nach der Pause stellte die gesamte Mannschaft das großartige Spiel aus der ersten Hälfte ein und machte die eigentlich schon um Sterbehilfe flehende eintracht wieder stark. Und auch wir Fans gaben von Minute zu Minute weniger, machten mit bei der einkehrenden Lethargie und halfen dem Team nicht das Heft wieder in die Hand zu nehmen. Auch uns alle trifft eine Teilschuld an dieser Derby-Niederlage!

Bei den beiden frankfurter Toren konnten sich so manche eingeschlichene Herren im C-Block und in der Nordkurve nicht zurück halten. Sicherlich war allen klar, dass sich hier und da ein paar Vögel Karten klar machen würden. Wie aber gerade die Sponsoren ihre Kontingente anscheinend an irgendwelche Trottel weiter gegeben haben, ist schon eine echte Sauerei. Die folgenden Auseinandersetzungen gehen ganz klar auf die Kappe dieser Firmen und weiterer Menschen, die ihre Karte weiter verkauft haben. Und natürlich auch sie gehen auf das Konto des DFB, dessen Aussschluss-Regelung allerspätestens jetzt komplett am Ende war. Dass sich dieser Verband nun auch noch erdreistet gegen unseren Verein zu ermitteln, ist an moralischer Abgründigkeit gar nicht mehr zu unterbieten.

Enttäuscht und voller Wut ging es nun für mehrere hundert Heiner zu Fuß in Richtung Innenstadt wo es an manchen Stellen zu weiteren Auseinandersetzungen mit großmäuligen frankfurtern kam. Alles in allem hatte die Polizei aber das meiste im Griff und verhinderte für manchen eintracht’ler wohl Schlimmeres als ein paar Respektschellen. Als die Stadt dann irgendwann wieder nur noch von Behelmten und Einheimischen bevölkert wurde, ging es in die heimischen vier Wände wo man lange darüber nachdachte, dass dieses Derby in vielen Punkten den Erwartungen nicht gerecht werden konnte. Die Schuldigen sollten sich für ein mögliches erneutes Aufeinandertreffen gut überlegen, ob sie den emotionalen Schwerpunkt solcher Spiele zukünftig nicht dort haben möchten, wo er hingehört: Im Stadion!

Bilder findet ihr HIER

ALLES AUS FRANKFURT IST SCHEISSE!