„Traditionstag“ hieß es an einem sinnigen Oktober-Samstag am Böllenfalltor. Grund dafür war aber nicht ein großes, geschichtsträchtigen Duell gegen einen anderen legendären Bundesliga-Oldie. Nein, das Produkt aus Leipzig war zu Gast und der SV98 hatte ausgerechnet für diesen Tag alles auf „alt“ gedreht und dabei auf jegliche versteckte Brause-Werbung verzichtet. Ein Schelm, der Böses dabei denkt… Auf der neuen Südtribüne wurde dem Thema auch die erste Choreografie gewidmet und so gingen mit Anpfiff knapp 3.000 blaue „NEIN!“-Zettel in die Luft, die durch das Spruchband „zu Investoren, Wettbewerbsverzerrung und Fussball als Marketingstrategie!“ ergänzt wurden. Ein kompaktes, stimmiges Bild mit einer klaren Aussage und ganz nebenbei ein kleiner Probelauf für künftigte Choreos.
Danach legte die Süd, mit einem deutlich besser eingespielten Block1898 m Zentrum, einen recht guten Auftritt hin. Es muss sich immer noch vieles finden und gerade in den Außenblöcken war heute zunehmende Lustlosigkeit zu erkennen. Eigentlich schade, da man dem Pack eigentlich hätte zeigen können, was echte Fussballatmosphäre ist, die man sich so nicht einfach kaufen kann. Dafür klappten die Wechselgesänge heute etwas besser und es wurden auch einige andere, neue Sachen mal angetestet. Gerade das „SV Darmstadt 98 hey, hey“ dürfte dabei im Gedächtnis geblieben sein. Natürlich alles gepaart mit vielen Gesängen gegen den Plastik-Club, wo der Hasspegel immer wieder deutlich spürbar war. Gerade bei Eckbällen, Freistößen und dem Aufwärmen der Taurin-Söldner gab es immer wieder gellende Pfeifkonzerte.
Das hatte leider keinen größeren Einfluss auf deren Spiel, denn die Millionen-Truppe des Aufsteigers dominierte die Partie in der die Lilien defensiv zwar viel gaben, offensiv dafür höchst ungefährlich waren. Mit Glück konnte man so das 0:0 zur Halbzeit halten und hoffte insgeheim auf einen weiteren dreckigen Punkt oder womöglich drei durch einen glücklichen Fernschuss. Diese Hoffnung machte der Gegner dann mit zwei Treffern direkt vor der Süd zunichte. Diese zeigte als Reaktion das, was einen Traditionsverein eben ausmacht – Treue und Zusammenhalt. So wurde erneut bis zum Schlusspfiff der Sportverein besungen und mit einer kleinen Schalparade verfeinert. Auch die Spieler bemerkten das positiv, auch wenn so langsam der Zeitpunkt gekommen ist, an dem die beständige Unterstützung auch gern mit Ergebnissen und vor allem Toren zurückgezahlt werden könnte. Gerade die Woche mit dem Pokal-Aus und der ersten Heimniederlage dürfte keineswegs im Sinne aller Beteiligten gewesen sein.
Im Sinne des Volkssports Fussball ist mit Sicherheit weiterhin nicht dieses ekelhafte Marketing-Konstrukt und die Kunden, die das auch noch abfeiern. Nicht mal den Gästeblock voll machen und dann die große Fresse auf diversen Tapeten und Anti-Lilien-Shirts haben. Es wäre fast zum lachen, wenn es nicht alles so unfassbar bitter wäre. Die Reaktion darauf war in jedem Fall die richtige: „Nur weil ihr mal unzensiert Spruchbänder zeigen dürft, müsst ihr net jeden Scheiß malen!“ wurde von den Suspects gezeigt. Wenn man sich an die Zustände im Leipziger Stadion erinnert eine durchaus treffende Analyse.
Wie man selbst und die allgemeine Fussball-Landschaft zukünftig mit der Spitze des großen kommerziellen Eisbergs umgehen wird, bleibt weiterhin abzuwarten. Die Abneigung in Darmstadt ist weiterhin deutlich spürbar. Am Ende hilft neben Spruchbändern, Choreos und Pfiffen aber vor allem nur eine konsequente Ablehnung des Produkts in allen Lebensbereichen: „Wer den Fußball liebt, trinkt kein RedBull!“