Retortenvereine…

Wer ist denn nun der Schlimmste und wieso ist Leverkusen eben nicht gleich Red Bull?

Das Heimspiel gegen Hoffenheim steht vor der Tür. Deren Anhang beschwerte sich beim Bundesligaauftakt im „Super Plastico“ gegen Leipzig über mangelnden Hass ihrem Konstrukt gegenüber. Sicherlich selbstironisch, doch mit einem wahren Kern: Hoffenheim wird immer mehr als normaler Bestandteil der Liga angesehen und die große Ablehnung konzentriert sich gen Leipzig.

Eine fatale Entwicklung, die uns prophezeit, dass auch das Dosenexperiment aus Leipzig in einigen Jahren als „normal“ angesehen werden könnte. So weit darf es nicht kommen! Deshalb wollen wir die Gelegenheit nutzen, Euch nochmals einige Gedanken zusammen zu fassen und aufzuzeigen, wo die Unterschiede zwischen den verschiedenen Retortenclubs liegen, was für alle nötigen und wichtigen Diskussionen um das Thema die nötige Grundlage darstellt.

Hoffenheim:
Beginnen wollen wir mit unserem aktuellen Gegner. Die TSG Hoffenheim, in der Selbstvermarktung auch „1899 Hoffenheim“ war bis zu den 90er Jahren der unspektakuläre Dorfclub von nebenan. Hier entschied ein gewisser Dietmar Hopp, Gründer von SAP und Ex-Kicker der TSG seinem Heimatverein finanziell unter die Arme zu greifen. Die entsprechenden Erfolge stellten sich bald ein, befeuert davon trieb Mäzen Hopp seinen Club über die Jahre bis hin in die Bundesliga und investierte dafür, nach eigenen Angaben, 240 Millionen Euro in den Club. Die Kritik liegt auf der Hand: Während sich alle traditionellen Fußballvereine über die Jahre hinweg nach oben kämpfen mussten und Ihr Vermögen eigenständig erwirtschaftet haben, wurde der Wettbewerb durch Dietmar Hopp extrem verzerrt und ein Club zum Selbstzweck künstlich nach oben gekauft.

RB Leipzig:
Der prominenteste Fall der aktuellen Zeit. Die Firma Red Bull mit Gründer Dietrich Mateschitz begann Ihren Angriff auf den Fußball in Salzburg, wo man Vereinsnamen, -geschichte & -farbe von Austria Salzburg auslöschte und sich so die Startberechtigung in der Bundesliga Österreichs erkaufte. In Deutschland wurde es Red Bull nicht ganz so leicht gemacht, so dass sich der Konzern beim SSV Markanstädt einkaufen musste, um möglichst weit oben in den deutschen Ligabetrieb zu gelangen. Doch auch die Standortwahl mit bereits vorhandenem Großstadion und einer nach höherklassigem Fußball lechzenden Region passte ins Konzept einen Fußballclub zu entwerfen, nur um das eigene Produkt bestmöglich platzieren zu können. Der Konzern Red Bull stellt alle Vereinsmitglieder, alles im Verein ist darauf angelegt, dem Investor zu dienen, sogar das zum Farmteam degradierte RB Salzburg, mit dem fleißig Spieler ausgetauscht und Transferregularien umgangen werden.
Der entscheidende Unterschied zu den anderen Modellen ist hier, dass ein Club gar nicht zur Ausübung des Sports gegründet wurde. RB Leipzig existiert einzig, um dem Marketing des Red Bull-Konzerns zu dienen. Red Bull ist kein Sponsor des Vereins, sondern ein Investor und bei pragmatischer Betrachtung, Eigentümer des Clubs.

Bayer Leverkusen / VfL Wolfsburg:
Bei RB-Kritiken oder Aufrufen, die Brause nicht mehr zu konsumieren hört man oftmals Gegenfragen, ob man dann auch kein Aspirin mehr nehmen oder VW fahren dürfe. Gemeint ist damit, warum man z.B. Bayer Leverkusen oder dem VfL Wolfsburg nicht auch genauso kritisch gegenüber stehen müsste.
Beide Vereine eint eine große Abhängigkeit zum jeweiligen Mutter-Unternehmen, sowohl Bayer als auch VW pumpen Millionen in die Vereine und sorgen damit auch für eine Wettbewerbsverzerrung. Aber ist gibt auch entscheidende Unterschiede: So wurde Bayer 04 Leverkusen ursprünglich als Werksmannschaft gegründet. Sprich, Arbeiter von Bayer schufen sich eine Plattform, um gemeinsam nach Dienstschluss Sport zu treiben, der Konzern stützte diese Idee. Heute gehören der Bayer AG alle Anteile an der Fußball-GmbH, hier hat die Ausnahme von der 50+1 Regel bereits gegriffen.
Werksvereine muss man sicherlich nicht gut finden, es gibt genug Parallelen zu Mäzenatentum oder dem Marketingprojekt. Allerdings muss man diesen Vereinen zugestehen, dass ihre Gründungsmotive und dadurch auch ihre Entwicklung eine andere waren und sind. So haben sie sich immerhin innerhalb ihres Betriebes und später auch des deutschen Fußballs hochgearbeitet und wurden nicht mit diesem Gedanken als Selbstzweck künstlich entworfen. Vor Kritik angesichts heutiger Gebaren soll sie das aber nicht frei sprechen.

Wie immer hilft eine differenzierte Betrachtungsweise dabei, die Vorgänge zu verstehen und seine eigenen Reaktionen einzuordnen. Wo man seine Grenze zieht, die ein „Verein“ mit seiner jeweiligen, kommerziellen Ausrichtung überschreitet, ist Sache des Einzelnen. Aber gerade als Lilienfan, als Fan eines Vereins, der exakt das Gegenteil verkörpert, wo direkte Mitgliederbestimmung noch möglich ist und Sponsoren nicht ins Tagesgeschäft eingreifen, hat man die verdammte Verantwortung, sich darüber bewusst zu werden, zu positionieren und für den Erhalt der eigenen Rechte einzustehen.