An einem nasskalten Sonntag traten die Lilien bei Mainz 05 an. Ein Spiel, das von manchen gern als „Derby“ bezeichnet würde, was allerdings etwas zu viel Aufmerksamkeit für die 05er wäre. Beide Fanszenen haben traditionell eigentlich andere Rivalen in ihren jeweiligen Bundesländern und keine besondere gemeinsame Vergangenheit. Nichtsdestotrotz sollte es keine Auswärtsfahrt wie jede andere werden – denn ob „Derby“ oder nicht – an diesem Tag wollte man die Mainzer von ihrem hohen Ross stoßen und sich mit drei Punkten selber wieder etwas Luft im Abstiegskampf verschaffen. Mit diesem Ziel traf man sich direkt nach dem Urnengang und fuhr mit einer etwas früheren Regionalbahn Richtung Mainz. Ab dem „Römischen Theater“ sollte es dann per pedes Richtung Stadion gehen, was allerdings die Polizei auf den Plan rief, die die etwa 120 Heiner einkesselte, in Shuttle-Busse verfrachtete und zu diesem Ding kutschietren, in dem die Mainzer ihre Heimspiele austragen müssen. Ein mahnendes Beispiel wie ein Stadion mitten im Nirgendwo aussieht und wieviel Fußball-Feeling hier verloren geht. Wer so etwas in Darmstadt sehen will, der hat die Lilien und unser altehrwürdiges Böllenfalltor nie geliebt.
Im Stadion wurde dann der Zaun heute recht ordentlich mit blau-weißen Fahnen behangen und beim Warmmachen bekamen die Spieler dann bereits die ersten Aufmunterungen auf den Rasen geschickt. Hier zeigte sich das Potenzial, das in den rund 6.000 Heinern schlummerte. Leider verflachte die Stimmung mit Anpfiff zusehends, es gab zwar einige laute Momente, aber auch viele Lieder, bei denen der untere Blockteil den oberen nicht mit einbeziehen konnte. Dieses Problem versuchten wir mit einem Vorsänger und einer weiteren Trommel im oberen Bereich zu beheben. Am Ende hängt es aber immer von jedem Lilienfan im Block selbst ab, wie gut unsere Stimmung wirklich ist. Jeder Einzelne muss seinen Teil zum Erfolg des Sportvereins beitragen! An diesem Tag waren dazu leider nicht immer alle der mitgereisten 6.000 bereit, auch wenn es ab und an auch schon relativ laut wurde. Im Block wurde mit einem Spruchband noch dem vor einigen Tagen verstorbenen ehemaligen Lilien-Spieler Helmut Rasch gedacht. „Der Zerreißer“ wurde 88 Jahre alt und trug zwischen 1952 und 1960 unser Trikot. Seine größte und prägendste Zeit als Fußballer erlebte er ohne Zweifel beim 1. FC Kaiserslautern, doch war er stets ein treuer Wegbegleiter der Lilien und mit Darmstadt eng verbunden. „Ruhe in Friden Helmut Rasch!“
Auf dem Rasen kämpften die Lilien erwartungsgemäßg aufopferungsvoll um heute etwas Zählbares mit nach Hause zu nehmen. Dabei gerieten sie aber auch hin und wieder in brenzlige Situationen, die ein glänzend aufgelegter Mathenia gut parierte. Beide Teams gingen hart in die Zweikämpfe, konnten aber eher wenig Torchancen heraus spielen. Nach der Pause war Mainz dann am Drücker und schickte sich an, den entscheidenen Treffer zu erzielen. Dann brannten Donati allerdings im Duell mit Wagner die Sicherungen durch und er wurde mit Rot vom Platz geschickt. Dies brachte den Lilien erneut ins Spiel und auch im Gästeblock witterten viele die Chance auf einen „Lucky Punch“ in Überzahl. Es fehlte aber die Kaltschäuzigkeit vor dem Tor und wir bewiesen leider erneut, dass das Überzahlspiel nicht gerade zu unseren Stärken zählt. Am Ende stand also ein gerechtes Unentschieden auf der Anzeigetafel, welches einen nicht ganz unglücklich stimmte. Immerhin hatten spielerisch deutlich bessere Teams in den letzten Wochen schlechter in Mainz ausgesehen. So wurde der Mannschaft nach Spielende auch nochmal das artig applaudiert und mit einer Schalparade deutlich gemacht, dass man bei den kommenden Aufgaben bedingungslos hinter den Jungs stehen wird.
Das Mainzer Publikum passte sich ihrer Spielstätte an. Der Großteil übte sich im fröhlichen, karnevalistischen Klatschpappen-Klatschen. Die Ultrà-Gruppen rund um USM und die Handkäsmafia waren eher abgebgrenzt vom Rest ihrer Tribüne zwischen zwei Mundlöchern und schafften es gefühlt auch nur sehr selten die gesamte Fanszene mit in die Lieder einzubeziehen. Probleme, die wir zwar selber kennen, doch am Bölle sicherlich nicht so ausgeprägt sind. Es war eben ein weiterer Ausflug, der gezeigt hat, wie grau der Bundesliga-Alltag in solchen Arenen sein kann. Unser Appell geht daher auch jetzt nach der Kommunalwahl an die Politik unserer Stadt, ein fanfreundliches, charmantes und stimmungsvolles Böllenfalltor zu erhalten und die Fans dabei miteinzubeziehen!
Die Rückfahrt am Bahnhof verzögerte sich dann etwas, da man auf einige Festgenommene wartete. Der angepeilte Zug wurde wieder verlassen, da wir niemanden aus unserer Fanszene in anderen Städten oder bei der Polizei einfach zurück lassen. So schlenderte man dann noch am Mainzer Bahnhof rum, bevor wir mit dem nächsten Zug in Richtung Südhessen fuhren. Auch jetzt waren die Züge noch voller 98er, die diese kurze Strecke zum Auswärtsspiel auf sich genommen haben. Hoffentlich werden viele davon sich auch auf den Weg nach Wolfsburg und Hamburg machen, um das Team nicht nur in der „Nähe“ sondern auch mal in der Ferne mit allen Mitteln zu unterstützen.
Fotos vom Spiel folgen in den nächsten Tagen…