Zur neuen Spielzeit kommen ja nun auch wir Lilienfans und alle anderen Zweitligisten in den zweifelhaften Genuss des vieldiskutierten Videobeweises. Und wie es in Darmstadt üblich ist, durften wir sofort am ersten Spieltag in Hamburg Zeuge einer äußerst fragwürdigen Entscheidung in der Nachspielzeit werden. Der Ärger ist auch eine Woche später kaum verflogen und wir wollen uns daher nochmal zu dem Thema zu Wort melden.
Wer die Diskussionen über Sinn und Unsinn dieser neuen Technik in den letzten zwei Jahren in Deutschland nicht mitbekommen hat, hat wahrscheinlich jeglichen Kontakt zur Außenwelt abgebrochen. Dass diese Diskussionen entstanden sind und wie viele Entscheidungen trotz oder gerade durch den Videobeweis nach wie vor höchst zweifelhaft sind, zeigt uns, dass dieses System nicht in der Lage ist dem Fußball mehr Gerechtigkeit zu verschaffen. Denn schlussendlich sind es immer noch Menschen, die die Entscheidungen treffen. Am Monitor können genauso Fehlentscheidungen passieren wie mit dem bloßen Auge. Der Mehrwert dieser neuen Technik erschließt sich uns somit absolut nicht. Im Gegenteil: wir Fans im Stadion stehen beim Thema „Videobeweis“ vor allem auf der Verliererseite:
Mag es für den Zuschauer vorm Bildschirm noch ganz unterhaltsam oder gar spannend sein, wenn ein Schiedsrichter sich minutenlang die strittige Szene anschaut um am Ende zu einer Entscheidung zu kommen, so quälend ist dieser Entscheidungsprozess es für einen Fan im Stadion. Die Emotionalität eines Torjubels, eines Fouls, einer roten Karte oder eines Elfmeters – sprich beinahe die gesamte Emotionalität des Spiels – geht mit dem Videobeweis mittelfristig verloren, da man sich nie sicher sein kann ob die Schiedsrichter nicht gleich einen Funkspruch bekommen werden und die Situation sich doch ganz anders darstellt. Wir stumpfen emotional also mit jeder Entscheidung des VAR ein kleines bisschen mehr ab.
Diese Emotionalität der Fans im Stadion ist es aber, die dem Fußball seinen Stellenwert und auch seine gesellschaftlich wichtige Rolle erlaubt. Wer jubelt noch ausgelassen, wenn unklar ist ob ein Tor nicht doch noch überprüft werden muss? Wer echauffiert sich noch über einen Platzverweis, wenn dieser womöglich gleich wieder zurückgenommen werden kann? Die letzten zwei Jahre des Videobeweises in der 1. Liga haben gezeigt, dass in diesem emotionalen Umfeld des höherklassigen Vereinsfußballs kein Platz für minutenlanges Warten auf eine Entscheidung ist. Dem Fußball wird hier etwas Elementares genommen, was den Stadionbesuch für tausende Menschen an jedem Wochenende essentiell ausmacht. Verlierer sind am Ende nicht nur diejenigen, die trotz Videobeweis klare Fehlentscheidungen hinnehmen müssen oder nur die Fans in den Kurven, sondern auch die Schiedsrichter. Sie werden zukünftig noch viel stärker kritisiert werden und laufen Gefahr, dass sich die aufgestaute Emotionalität in negativem Maße gegen sie richtet. Wer die Schiedsrichter mit dem Videobeweis also in Schutz nehmen wollte, hat ihnen ein Bärendienst erwiesen.
Für uns ist deshalb für die kommende Saison und darüber hinaus klar:
Wir werden den Videobeweis ablehnen, egal ob er für oder gegen unsere Mannschaft ausschlägt! Wir wollen einen Fußball der Tatsachenentscheidungen, über die man sich manchmal ärgert, aber die oftmals auch das nötige Salz in der Suppe waren, um einem Spiel die nötige Würze zu verleihen. Wir wollen einen emotionalen Stadionbesuch ohne lange Wartezeiten bis die Entscheidungen für spielentscheidende Szenen feststehen! Wir wollen einen Sport, der von der untersten bis zur ersten Liga auf dem Rasen unter den gleichen Bedingungen stattfindet und sich somit seine Basis erhält, anstatt die Profiligen immer weiter von ihr zu entfernen. Wir rufen alle anderen Fangruppen und 98er daher dazu auf, selbst aktiv zu werden, wenn ihr diese Positionen mit uns teilt.
Malt Banner oder Fahnen, die sich kritisch mit dem Videobeweis auseinandersetzen! Zeigt diese, wenn der Videobeweis zum Einsatz kommt! Übt öffentlichen Druck auf die Vereine aus, die dem Ganzen zugestimmt haben! Pfeift so laut es geht, sobald ein Schiedsrichter das rechteckige Handzeichen macht!
Wir Fans in den Stadien haben schon häufiger gezeigt, dass wir Entscheidungen über unsere Köpfe hinweg nicht akzeptieren und revidieren können, wenn wir fest genug zusammenstehen. Zeigen wir es auch beim Thema Videobeweis, dass wir erneut dafür einstehen werden, unser Stadionerlebnis nicht von finanziellen Interessen und zu kurz gedachten Entscheidungen der Funktionäre kaputt machen zu lassen. Apropos Funktionäre… auch unser Verein hat für die Einführung des Videobeweises gestimmt ohne sich zuvor ein breites Stimmungsbild seiner Mitglieder zu dem Thema einzuholen. Spätestens seit dem Spiel in Hamburg überdenkt man diese Entscheidung vielleicht auch dort nochmal.
VIDEOBEWEIS KONSEQUENT ABLEHNEN!
Block1898
Südtribüne Darmstadt